Als ich fünfzehn Jahre alt war, hielt ich zum ersten Mal eine Gitarre in meinen Händen. Einer meiner Brüder brachte mir die ersten Akkorde bei und ich übte und übte bis ich schließlich die Songs spielen konnte, die mir gefielen, und ein Jahr später die ersten eigenen Songs entstanden.
Ich hing mit Freunden herum, die ebenfalls Musik machten, und gründete mit einem von ihnen, der auch eigene Texte schrieb, meine erste Band. Mittlerweile war es 1983 und der Neuen Deutschen Welle ging gerade die Luft aus. Durch irgendeine Verbindung war es uns möglich, in einer Kreuzberger Kirche zu proben: Wir schlugen unser Lager direkt neben der mächtigen Orgel auf der Empore auf. Es hallte und schepperte und eben das war es, was uns gefiel.
Eines Tages stapfte ich nach oben auf die Empore und weil noch jede Menge Zeit blieb bis zur Bandprobe, setzte ich mich ans Schlagzeug. Das war wohl mein zweites Aha-Erlebnis. Ich konnte es zwar nicht richtig bedienen, aber das war in diesem Moment egal. Ich tromelte was das Zeug hielt und es fühlte sich an, als hätte ich einen Zündschlüssel umgedreht. Das Auto schoss los und ich mittendrin, ohne Ahnung, wie es zu lenken oder zu bremsen war. Ich kratzte das nötige Geld zusammen, nahm Schlagzeugunterricht, übte bis zu acht Stunden täglich und konnte gar nicht genug kriegen davon. Nach zwei Jahren zerbrach die Band und ich probierte mich fortan weiter als Schlagzeuger. Dem Schreiben und Singen von Songs gehörte jedoch nach wie vor mein Herz.
1989 schrieb der damalige Berliner Senat einen Songwettbewerb aus. Die wollten drei Songs, mit denen man sich dort bewerben sollte. Können sie haben, dachte ich mir und zog mich mit einem Freund für die Aufnahmen in einen Übungsraum zurück, der direkt am U-Bahnhof Schlesisches Tor lag. Und so war ich mitten in Kreuzberg, unweit der Mauer, deren Fall erst einige Tage her war. Jedes Mal, wenn ich nach draußen ging, um eine zu rauchen, sah ich Heerscharen von Menschen, hörte fremde Dialekte und sah in viele, viele leuchtende Augen. Türkische Gemüsehändler witterten das Geschäft ihres Lebens, Cola- und Bierdosen zischten -- es war wundervoll! Beim Songwettbewerb des Senats kam ich als einziger Solist in die Endausscheidung und trat fortan ab und zu alleine auf. In dieser Zeit entstanden eine Menge Songs, ein paar wenige auch auf englisch. Außerdem kamen Kinderlieder und welche nach Berliner Mundart dazu.
Die Jahre vergingen und ich war immer wieder damit beschäftigt, eine Aufnahmemöglichkeit aufzutreiben, um dann mit den entstandenen Demo-Bändern eine Plattenfirma auf meine Seite zu ziehen. Doch die blieben stur und wollten von mir und meiner Musik nichts wissen. Hin und wieder kam es vor, dass ich in Räumen saß, an deren Wände Goldene Schallplatten hingen und von Ruhm und Erfolg erzählten. Dann hörten die Verantwortlichen meine Musik und ich erzählte oder sie erzählten und konnten sich etwas vorstellen. Letztendlich hat sich daraus aber nie etwas ergeben. Also nahm ich weiter auf, spielte mit Leuten zusammen und versuchte, weiterhin mein Ding zu machen. Anfang 2000 entstand dadurch meine erste CD "Es kommt wie es kommt", die ich mit Freunden aufnahm. Als sie fertig war, hielt ich auch diese den Plattenfirmen unter die Nase, in der Hoffnung, sie würden Witterung aufnehmen. Doch die hatten wohl alle Schnupfen, rochen nichts und winkten ab.
Eines Tages rief mich ein Freund an und erzählte, dass es bald eine Ausschreibung für den Rio-Reiser-Songspreis gäbe und dass ich mich dort mit einem Song bewerben könnte. Das tat ich und gewann den Preis zusammen mit zwei anderen Bands. Es war das Jahr 2003 und mein Sohn, der damals drei Jahre alt war, musste mit als ich nach Fresenhagen fuhr. Dahin, wo Rio Reiser einst lebte und starb. Ich spielte alleine, bekam den Preis überreicht und war besoffen vor Glück. Mit Rio's Bruder Gert Möbius habe ich mich sofort gut verstanden und so erschien die CD "Es kommt wie es kommt" auf dem Label "Möbius Records", welches er leitete.
Wenig später nahm ich im Studio eines Freundes meine zweite CD "Wenn der Himmel leer ist" auf, die 2005 auf dessen Label "Baseball Records" veröffentlicht wurde. Mit dem Songpreis im Herzen und den beiden CDs in der Tasche, machte ich mich auf die Suche nach Musikern -- ich wollte unbedingt wieder live spielen!
Es dauerte nicht lange und die Werner Bettge Band war zusammengestellt. Wir spielten uns durch die Berliner Kneipen- und Clubszene und bauten uns nach und nach eine Fangemeinde auf. Unsere treue Anhängerschaft verlangte nach einer CD und so erschien 2010 bei DA Records unser erstes Album "Überall gesucht", gefolgt von dem zweiten im Jahr 2013 ("Alles wird anders").
Durch einen Auftritt in Magdeburg bekam ich die Gelegenheit, im Magdeburger Jayrecords Studio ein weiteres Soloalbum aufzunehmen. "Wenn ich jäh aus Träumen falle" kam 2014 heraus.
2017 erschien meine vierte Solo CD, die den Titel "Robinsons Kitchen" trägt. Aufgenommen habe ich diese in meiner Küche. Im Rückblick betrachtet, ist diese wohl meine persönlichste CD, da sie komplett unter Eigenregie entstanden ist.
2019 stirbt mein Freund Christian Hahn, Gitarrist und Mitbegründer der Werner Bettge Band. Die Band formierte sich neu und zog ins Studio, um die EP "Boot im Eis" aufzunehmen, die im Herbst 2020 erscheinen wird.
Noch im Jahr 2023 ist geplant, sämtliche Band -und Solo Alben über die gängigen Streaming- Plattformen zu veröffentlichen.
Des Weiteren habe ich mich dazu entschlossen, regelmäßig neue Songs zu über jene Plattformen zu veröffentlichen.
Es wird kein neues Solo- Album erscheinen, dem ein Konzept zu Grunde liegt. Mehr möchte ich mir die Freiheit nehmen, das zu produzieren, was in mir ist und wonach mein Herz verlangt. Das Ziel ist künstlerische Freiheit. Für mich wird es eine Art Entdeckungsreise sein, geprägt von Inspiration, Offenheit und Überraschungen - weg von Limitierung und einem engen Selbstbild.