Interview II (geführt von Zico am 18.9.2018 in Berlin)

"Nur keine Tränen"

Zico : Heute würde ich gerne ein wenig mehr über dich und deine Musik erfahren. Du hast unglaublich viele Songs geschrieben. Wie gehst du vor? Hast du eine bestimmte Technik oder machst du einfach drauf los?

Werner: Eine Technik habe ich nicht. Mir ist auch keine bekannt. Ich setze mich also nicht hin und nehme mir vor, einen Song zu schreiben. Meine Erfahrung ist, dass das so bei mir nicht funktioniert. Früher wurde ich manchmal nervös, wenn mir wochenlang nichts einfiel. Heute ist mir das egal. Ich weiß, dass der nächste Song kommt. Nur wann, das weiß ich nicht.

 

Zico : Wie du weißt, liebe ich ganz besonders deine Texte. Meiner Meinung nach hast du die Gabe, die Dinge auf den Punkt zu bringen und Menschen zu berühren. Ich finde mich oft in deinen Songs wieder. Du schreibst über dich, aber auch über die Welt da draußen. Spielt Politik für dich eine Rolle? Wenn ja, welche?

Werner : Und ob sie das tut. Das tat sie schon immer. Ich bin unter sehr bescheidenen Verhältnissen groß geworden. Das hat meinen Blick für die Dinge um mich herum geschärft.

 

Zico : Und doch hast du das letzte Mal erzählt, dass du keinerlei Nachrichten mehr hörst. Weder im Radio, noch im Fernsehen. Passt das zusammen?

Werner : Für mich schon. Ich habe einfach keinen Bock mehr, mich wie ein Huhn durch die Gegend scheuchen zu lassen -- und schon gar nicht in irgendeine Richtung. Ich weiß, wo es lang geht für mich. Das reicht mir. Ich habe diesen Medien ganz bewusst den Rücken gekehrt.

 

Zico : Zum Glück hast du ja auch jede Menge Liebeslieder geschrieben. Bist du romantisch?

Werner : Ich fürchte! Nein, im Ernst. Ja, das bin ich. Und obwohl ich weiß, dass Romantik die Dinge oft verzerrt und unnötiges Leid verbreiten kann, liebe ich doch ihre unwiderstehliche Süße.

 

Zico : Wieso Leid?

Werner : Oh Mann. Das ist jetzt aber ein weites Feld. Weißt du, ich habe sehr viel darüber nachgedacht. Es gibt meiner Meinung nach keinen anderen Bereich im Leben eines Menschen, der so essentiell für ihn ist, als die Liebe. Die zu einem anderen Menschen, und vor allem die zu sich selbst. Die letztere ist die Entscheidende. Das Leid entsteht durch Verzerrungen im Geist und im Herzen. Und da ist die Romantik nicht ganz unschuldig.

 

Zico : Das klingt jetzt aber unromantisch!

Werner: Ach Quatsch! Bleib` locker! Ich bin ein total romantischer Heini. Ich will heiraten. Ich möchte in einem coolen Haus mit meiner Frau leben. Ich möchte ihr an einem Sonntagmorgen in den Arsch beißen, und dann soll sie mich durch`s Haus jagen. Natürlich kriegt sie mich nicht, weil ich sehr schnell bin. Dann essen wir Erdbeerkuchen mit Sahne und lieben uns vielleicht. Ist doch romantisch, oder?

 

Zico: Ja, irgendwie schon.

Werner : Siehst du.

 

Zico : Bist du im Reinen mit dir?

Werner : Ich will es mal so sagen. Die Waschmaschine läuft und läuft -- und das Ergebnis kann sich immer mehr sehen lassen.

 

Zico : Zur Musik. Suchst du eine Plattenfirma?

Werner: Aktuell nicht. Ich hatte mit der Band mal eine, aber das war ein Schuss in den Ofen. Früher habe ich deren Nähe gesucht, aber die wollten nicht mit mir spielen. 

 

Zico : Bist du frustriert?

Werner : Das war ich mal. Inzwischen sehe ich das locker. Ich weiß, dass ich eine tolle Ware habe. Das macht mich stark. Wenn die sie nicht haben wollen, werden sie ihre guten Gründe dafür haben. Da darf man nicht sauer davonstampfen. Die wollen und müssen Geld verdienen, denn schließlich wollen sie überleben. Das ist ihr gutes Recht. Das Gute ist, dass du inzwischen, aufgrund des technischen Wandels, als Band autark agieren kannst.

 

Zico : Du stehst der Technik offen entgegen?

Werner : Und ob!

 

Zico : Ich kenne viele Leute, die das eher kritisch sehen. Siehst du nicht auch eine gewisse Gefahr darin?

Werner : Nein! Weder Angst noch Gefahr! Damit will ich nichts zu tun haben.

 

Zico : Tatsache ist doch, dass der Mensch immer gläserner wird, und damit auch manipulierbarer. Meinst du nicht?

Werner : Natürlich. Das weiß ich doch. Nur, das war er schon immer. Und er wird es bleiben, solange er in Unbewusstheit lebt. Du kannst das Netz nutzen oder dich durch das Netz benutzen lassen. Du kannst infantile Spielchen spielen und dich aus der Ferne steuern lassen, oder es nutzen, um dich weiterzuentwickeln.. Ich sage es mal so: Man hat eine Horde Neandertaler in die Schaltzentrale eines Atomkraftwerkes gelassen und ihnen viel Spaß mit den vielen bunten Knöpfchen gewünscht. Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Doch darum geht es für mich nicht. Das digitale Zeitalter ist eine Chance, nicht eine Gefahr.

 

Zico : Chance?

Werner : Klar! Der menschliche Geist ist ein expandierender. Alles wird sich ändern. Absolut alles. Die Welt, wie du und ich sie kennen, wird es bald so nicht mehr geben. Nur keine Tränen. Und der einzelne Mensch wird immer die Entscheidung haben. Er wird immer wählen können, zwischen Gut und Böse. Ist das nicht schön?

 

Zico : Sicher. Und doch denke ich, dass das Manipulierbare, das menschlich Schwache, großen Gefahren ausgesetzt ist. 

Werner : Aber das war es doch immer. Schaue dir die Religionen an. Ich rede nicht vom Glauben und von Gott. Die haben damit schon mal gar nichts zu tun. Der Mensch war immer manipulierbar. Und er ist auf der Suche. Wir suchen nach Sicherheit. Und ich bin der Überzeugung, dass es eine gibt. 

 

Zico : Welche?

Werner : Du bist sicher. Ich könnte auch sagen, Gott ist sicher. Und ja, es ist zum Haare raufen, dass sich in all den tausend Jahren nichts geändert zu haben scheint. Aber es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, sich zu befreien. Da wird keiner von außen kommen und deine Fesseln durchtrennen. Das musst du schon selber tun.Die Bibel und andere Schriften haben da eine eindeutige Sprache gesprochen. Die Technik legt nur offen, was schon lange da ist. Das ganze Dilemma. Doch noch einmal: Mein Fokus richtet sich vor allem auf die Chancen.

 

Zico : Was ist dir heilig?

Werner : Meine Zeit

 

Zico : Gibt es Dinge, die du bereust?

Werner : Oh ja! Einiges.

 

Zico: Was genau?

WernerDarüber möchte ich nicht reden, denn dazu müsste ich nach hinten schauen. Das tue ich ungern. Die Vergangenheit ist gelebt -  nicht mehr da. Ich versuche sie allenfalls zu nutzen,wenn sie mir behilflich sein kann. Klar, habe ich viele Fehler gemacht. Doch die Zeit der Selbstvorwürfe versuche ich knapp zu halten, denn ich möchte in Frieden mit mir leben. Sich bedingungslos lieben ist für mich ein unabdingbarer Teil des Erwachsenwerdens. Und Fehler, das wissen wir alle, gehören nun einmal zum Geschäft Und nicht selten entspringen aus ihnen, Jahre später, wunderbare Blüten Genau darin liegt für mich ihr unschätzbarer Wert.Von daher ist ,bereuen` das falsche Wort, denn das schmälert diesen.

 

Zico : Ein Musiker, der keine Musik hört. Klingt irgendwie komisch.

Werner : Aus lauter Liebe zu ihr. Ich ertrage ihren Ausverkauf nicht. 

 

Zico : Bevor wir zum Schluss kommen: Gibt es etwas, was du dir auf der Stelle herbeiwünschst?

Werner : Ja. Mich!

 

Zico : Bis zum nächsten Mal

Werner : Bis zum nächsten Mal, Zico.